The Unknown Race Tag 3 oder Typ-2-Spaß bitte

Heho und so, Freunde des lustigen Pedalierens.

Das Quietschen von Autoreifen in einer Kurve und das Röhren eines Motors beim Gasgeben wecken mich in meiner kleinen Bushaltestelle. Der Blick auf meine Uhr zeigt mir, dass ich ca. 2 Stunden geschlafen habe. Wenigstens frieren meine Füße nicht mehr. Ich rolle mich aus meinem Schlafsack, putze mir die Zähne und packe alles zusammen.

Die Sonne kommt langsam raus. Heute wird wohl wieder ein schöner Tag, obwohl die Temperatur sicherlich noch einstellig ist. Beim Anziehen und Fertigmachen bemerke ich aber ein ganz menschliches Problem. ICH MUSS AUFS KLO! Dringend!!

Aber wo um Herrgottswillen nochmal finde ich hier in der Pampa eine öffentliche Toilette oder wenigstens irgendjemanden der mich stinkenden und verschwitzten Deutschen, noch dazu am Ostersonntag, hier in der Provence in Frankreich, in sein Haus lässt, um seine Notdurft zu verrichten. Heißt es also, Arschbacken zusammenkneifen und mal gucken was so kommt. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Irgendwann kommt ein kleiner Steinbruch. Da steht ein Dixiklo. Abgeschlossen. Na klar. Murphy’s Law wieder. Aber 100 m weiter gibt es einen kleinen Feldweg und ein paar dutzend Büsche. Den Rest meiner Erklärung erspare ich euch. Trotzdem sollte man auch über dieses Tabuthema reden, welches es beim Bikepacking und Ultracycling gibt.

Nur so viel dazu, was sicherlich jeder kennt…Achtung, Sprengung und Explosion am Steinbruch.

Als das menschlichste aller Dinge verrichtet ist, geht es weiter dem ersten Anstieg entgegen. Der Wind steht gut und nach 30 Minuten zeigt mir mein Fahrradcomputer an, dass es eine Weile bergab geht. Gefühlt tausend kleine Dörfer gibt es hier, aber nirgendwo eine Boulangerie, in der ich einen Kääppoootscheinooo bekommen könnte. Also fahre ich so lange bergab, bis sich mein Reifen wieder bemerkbar macht. Die liebe Luft entweicht wieder und beim Aufpumpen bricht das Ventil weg. Also das Hinterrad ausbauen und den Schlauch wechseln. Spoiler: Ab jetzt hält der Reifen endlich dicht.

Zwei ältere Franzosen mit ihren Rädern halten bei mir und bieten mir Hilfe an. Sie wollen natürlich wissen, was ich gerade mache. Mit dem Google-Translator erkläre ich ihnen das und sie sind hellauf begeistert über das dotwatching auf dem Handy. Beide Daumen nach oben. Goldig die zwei. So will ich mit 70 Jahren auch mal sein. Kein Gramm Fett und Waden wie zwei Ofenrohre.

Als alles repariert ist, kann es weitergehen und irgendwann komme ich in eine größere Stadt und finde einen offenen Supermarkt. Die Kirmes oder was gerade gefeiert wird, lasse ich links liegen. Keine Zeit für Autoscooter. Es ist schon wieder Mittag und an einem Anstieg hänge ich mich an einen Franzosen mit E-Bike. Der zieht mich jetzt die 6 Kilometer nach oben.

Am Gipfel ist meine Motivation dafür unten. Die Sonne brennt, meine Lippen sind aufgerissen, ich bin müde und der Wind bläst mir mittlerweile von schräg vorn ins Gesicht, von meinem schmerzenden Po will ich gar nicht wieder anfangen. An einem kleinen Aussichtspunkt beschließe ich einfach mal einen kurzen Powernap zu machen. Also eine halbe Stunde schlafen und dann wieder weiter. Meine Motivation ändert sich aber bis 17 Uhr nicht wirklich. Jetzt ist es zum ersten Mal sogar richtig zäh. So zäh, dass ich an Aufgeben denke.

An einem Autohof gibt es wieder einen McDonalds. Also erstmal ne eiskalte Coke, Cheeseburger und Chicken McNuggets reinspulen. Beim Blick auf die Karte sehe ich, dass jetzt ein 60 km langer Anstieg über, bzw. in das Zentralmassiv bevorsteht. Ich habe jetzt zwei Optionen. Option 1, hier in der Stadt ein Hotel suchen, einfach schlafen und morgen in der Früh über die Berge oder Option 2, einfach weiterfahren.


Die Erfahrung zeigt, dass es Variante zwei werden muss. Der Tag heute ist einfach eine Typ-2-Spaß-Etappe. Heißt, dass der Spaß erst etwas später kommt, wenn man den Erfolg mit einigem zeitlichen Abstand besser einordnen kann. Und seien wir doch mal bitte ehrlich, nur Typ-2-Spaß zählt wirklich. Typ 1 und 3 sind doch wirklich großer Mist.

Es sind noch gute 3 Stunden bis Sonnenuntergang, also noch 4 Stunden Licht und da wäre Schlafen jetzt reine Zeitverschwendung. Also beginne ich meinen Aufstieg in das französische Zentralmassiv. Der Anstieg ist relativ sanft. Ich kann gut mit dem großen Blatt nach oben treten und fahre fast bis zum Sonnenuntergang in der Sonne. Oben kann ich dann immernoch irgendwo im Schlafsack übernachten.

Als ich unterhalb des Mont Gerbier de Jonc, auf 1551 Metern vorbeifahre, ist es schon dunkel. 2 Stunden geht es hier hoch und runter. Immer auf dem Plateau entlang. Am hellichten Tag ist es sicherlich ein spektakulärer Anblick. Für mich heute nur Totenstille und Dunkelheit. Einzig Stephen King in meinem Ohr und das Rollen der Räder auf der Straße ist für mich zu vernehmen.

Irgendwann habe ich die letzte Welle überwunden und hier oben war es jetzt doch, durch das andauernde Treten, recht warm. Da es jetzt aber abwärts ins Tal und ins Herz Frankreichs geht, ziehe ich wieder alles an, was ich mit habe. Arm- und Beinlinge, Daunenjacke, Regenhose, Schuhüberzieher und lange Handschuhe. In Le Puy-en-Valey buche ich mir ein B&B-Hotel, das 24h geöffnet hat. Ich brauche eine Dusche, viel Dehnung und ein warmes Bett.

Auf der Abfahrt crashe ich aber fast noch in eine Gruppe junger Betrunkener, die schreiend aus einem Restaurant kommen und nicht auf die Straße achten. Ich kann gerade noch mit meinen gut 45 km/h ausweichen. Die Jungs und Mädels überholen mich dann noch auf der Abfahrt und feuern oder schreien mich aus dem Fenster an. Ich hoffe das Positive. 4 Grad zeigt das Thermometer jetzt wieder und ich bin froh, als die Lichter der Stadt im Tal näher rücken. Ein kurzer Sprint noch durch die hell erleuchteten Straßen und als ich vor dem Securitymann des Hotels stehe, der mir die Tür öffnet, bin ich froh, im Warmen zu sein.


Unter der heißen Dusche dehne ich mich, so gut es geht und gefühlt eine halbe Stunde ab und gehe dann endlich 3 Uhr ins Bett.

The Unknown Race Day 3 or Type 2 fun please.

Heho and so, friends of fun pedalling.

The squeal of car tyres on a bend and the roar of an engine as I step on the gas wake me up in my little bus stop. A glance at my watch shows me that I have slept for about 2 hours. At least my feet are no longer freezing. I roll out of my sleeping bag, brush my teeth and pack everything up. The sun slowly comes out. It looks like it’s going to be another beautiful day today, although the temperature is certainly still in the single digits. While getting dressed and ready, however, I notice a very human problem. I HAVE TO GO TO THE TOILET! Urgently!!!


But where on earth am I going to find a public toilet in the middle of nowhere, or at least someone who will let me, a smelly and sweaty German, into their house to relieve myself on Easter Sunday here in Provence, France. So it’s time to clench my cheeks and see what happens. In the truest sense of the word.
At some point we come to a small quarry. There is a porta-potty. Locked. Of course. Murphy’s Law again. But 100 m further on there is a small dirt road and a few dozen bushes. I’ll spare you the rest of my explanation. Nevertheless, we should also talk about this taboo subject, which exists in bikepacking and ultracycling.
Just so much about it, which I’m sure everyone knows…Attention, blasting and explosion at the quarry.

When the most human of all things is done, we continue towards the first climb. The wind is good and after 30 minutes my bike computer shows me that it’s going downhill for a while. There are what feels like a thousand small villages here, but nowhere a boulangerie where I could get a Kääppoootscheinooo. So I ride downhill until my tyre makes itself felt again. The dear air escapes again and when I inflate it, the valve breaks away. So I remove the rear wheel and change the tube. Spoiler: From now on, the tyre finally holds tight.
Two older Frenchmen with their bikes stop by and offer me help. Of course they want to know what I’m doing. I explain it to them with the Google Translator and they are delighted with the dotwatching on their mobile phones. Both thumbs up. They’re sweet. That’s how I want to be when I’m 70. Not a gram of fat and calves like two stovepipes.

When everything is fixed, I can move on and eventually I get to a bigger town and find an open supermarket. I leave the funfair or whatever is being celebrated to the left. No time for bumper cars. It’s already noon again and at a climb I attach myself to a Frenchman on an e-bike. He pulls me up the 6 kilometres. At the summit, my motivation is at its lowest. The sun is burning, my lips are chapped, I’m tired and the wind is blowing in my face from an angle, not to mention my aching bottom. At a small vantage point I decide to take a short power nap. So I sleep for half an hour and then continue. My motivation doesn’t really change until 5 pm. Now, for the first time, it’s really tough. So tough that I think about giving up. I drive to the next bigger town. There is another McDonald’s at a car station. So I grab an ice-cold Coke, cheeseburger and Chicke McNuggets. Looking at the map, I see that there is now a 60 km climb over or into the Massif Central. I now have two options. Option 1, find a hotel here in town and just sleep and ride over the mountains in the morning, or option 2, just keep going.
Experience shows that it has to be option two. Today is simply a type 2 fun stage. This means that the fun will come a little later, when you can better appreciate the success with some time to spare. And let’s be honest, only type 2 fun really counts. Type 1 and 3 are really big crap.
There are still a good 3 hours until sunset, so another 4 hours of light and sleeping now would be a waste of time. So I start my ascent into the French Massif Central. The climb is relatively gentle. I can pedal up well with the big blade and ride in the sun almost until sunset. At the top I can still spend the night somewhere in my sleeping bag.
When I pass below Mont Gerbier de Jonc, at 1551 metres, it is already dark. It takes 2 hours to go up and down here. Always along the plateau. In broad daylight it is certainly a spectacular sight. For me today, only dead silence and darkness. Only Stephen King in my ear and the rolling of the wheels on the road is audible to me.

At some point I got over the last wave and up here it was quite warm due to the constant pedalling. But now I’m going down into the valley and the heart of France, so I put on everything I have with me. Arm and leg warmers, down jacket, rain trousers, shoe covers and long gloves. In Le Puy-en-Valey I book a B&B hotel that is open 24 hours. I need a shower, lots of stretching and a warm bed.
On the descent, however, I almost crash into a group of young drunks who come screaming out of a restaurant and don’t pay attention to the road. I can just about avoid them with my 45 km/h. The boys and girls overtake me. The guys and girls overtake me on the descent and cheer me on or shout at me from the window. I hope it’s positive. The thermometer now shows 4 degrees and I’m glad when the lights of the city in the valley come closer. A short sprint through the brightly lit streets and as I stand in front of the hotel security guard who opens the door for me, I am glad to be in the warm.
Under the hot shower, I stretch as much as I can for what feels like half an hour and then finally go to bed at 3 o’clock.

3 Kommentare

  1. Ich bin durch die Suche nach eben diesem Rennen auf deinen Blog gestoßen. Sehr unterhaltsam und sehr gut geschrieben 🙂
    Aaaber… wo ist denn der Tag 4 ?

    1. Hallo Thoralf,
      Erstmal danke für das Lob.
      Ja, dass frage ich mich auch. Irgendwo versteckt als Rohkonzept auf meinem Desktop.
      Da dieser Blog ja eher ein kleiner Zeitvertreib von mir ist und der Sommer auch voll mit anderen Abenteuern war, habe ich diesen Bericht wohl etwas schleifen lassen. Momentan bin ich gerade mit der Transiberica bzw. diesen Berichten beschäftigt. Evtl. liefere ich den später noch nach. Die dunklere Jahreszeit kommt ja langsam und da habe ich dann sicherlich auch wieder mehr Zeit zum schreiben.

      1. Dafür hab ich natürlich vollstes Verständnis und da ich den Transiberica Bericht auch gelesen habe freue ich mich genauso, da den nächsten Tag zu lesen 🙂

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