Mühlenbrevet 2022 oder ein Fest für Don Quijote

Heho und so, Freunde des lustigen Pedalierens.

Antje wollte unbedingt um 6 Uhr früh starten. Ich hingegen war da noch am Vorabend etwas skeptisch. Am Ende liegt die Wahrheit in der Mitte. Am Startpunkt sind schon einige Fahrer und es beginnt ein emsiges Treiben. Langsam wird es hell und die Kälte des Morgens schwindet. Der Kaffee ist noch nicht richtig fertig, also geh ich erstmal Zähne putzen. Dann gibt es Banane und ein trockenes Brötchen mit Wiener Würstchen. Antje hat das Backwerk und die gefühlt 10 Kilogramm Würstchen von ihrem Bruder mitgebracht. Ich dafür die ca. 5 Liter Senf. Kaffee brauche ich ja am Morgen fast nie. Sie hingegen schon. Also warten wir noch etwas und netzwerken nebenbei. Zumindest versuche ich mich darin, weil das eigentlich gar nicht mein Ding ist. Antje kann das hingegen immer sehr gut. Die meisten haben aber noch genau solche kleinen Augen wie wir und ich weiß gar nicht, ob alle schon aufnahmefähig sind.

Endlich gibt es Kaffee und wir kommen los. 160 spannende und flache Gravelkilometer stehen heute auf dem Plan. Dazu noch circa 20 Mühlen, die es zu entdecken gibt. Erstmal raus aus Leipzig. Schnell sind ein paar Leute gefunden und es entwickelt sich eine kleine Gruppe Gleichgesinnter. Und so kommt es, das 8 Uhr früh, 12 Menschen im hohen Gras vor einer Mühle stehen und alle dumm aus der Wäsche gucken, weil alle mit ihren kleinen Schlafsandaugen, die Kiste in die man als erste Quest einen kleinen Spruch für die Rennradler hinterlassen soll, übersehen haben. Glücklicherweise findet sie dann doch einer an der Straßenkreuzung und wir hinterlassen alle unsere, mehr oder weniger, lieben Grüße. 

Weiter geht es und die Gruppe vertut sich langsam. Jeder findet so langsam sein Tempo. Auf Schotterpisten an Baggerseen und alten Baggern vorbei, wird es langsam waldiger. Vorher treffen sich aber noch einmal alle an einer Mühle und versuchen das Gesicht darin zu erkennen. 

Heißt also, dass wieder eine Gruppe Irrer mit Fahrrädern und Handy in der Hand, wie wild Fotos von sich, ihrer Startnummerkarte und der Mühle schießen.

Wie eine Ziehharmonika wird es den ganzen Tag gehen und man trifft sich immer wieder. Meist zu den Aufgaben an den Mühlen. Irgendwann kommen wir an eine Alpakafarm. Dort soll man sich in das Hirn eines Alpakas denken und selber eines werden und davon ein Bild machen. Das Gras schmeckt jedenfalls lecker und hinterher gibt es für mich noch einen Snickers. Wenn irgendjemand weiß, wie sich ein Alpaka eigentlich anhört, dann bitte in die Kommentare damit.

Weiter geht es auf der wilden Jagd nach noch mehr Mühlen. Für Sondermühlen, die man auf dem Weg trifft und fotografiert, gibt es hinterher Bonuspunkte zur Tombola. Aber das ist schlussendlich gar nicht so leicht. Dafür muss der Kopf wie eine Rundumleuchte gehen, da die Mühlen relativ leicht übersehen werden können, wenn man mit Kopf runter und relativ zügig auf den Waldautobahnen unterwegs ist. Zu zügig wahrscheinlich. Carina, eine aus dem Dreigestirn mit Florian und Isabell, die heute immer mit uns unterwegs sind, bleibt mit dem Bein an einem Poller hängen. Dem Fahrrad passiert nichts, aber das Schienbein ist ramponiert. Den Schock fährt sie sich aber die nächsten Kilometer einfach raus.

Ungefähr bei Kilometer 50 machen wir an der vierten Station die erste längere Pause. In der Sonne vor der Mühle, an/in der man eine Tüte eines Discounters entdecken soll, gibt es wieder Wiener und Brötchen. Antje ist mittlerweile meine Verpflegungskönigin geworden. Hach (treudoofer Blick), wenn sie mit dem Rad dabei ist, muss ich nie hungern.

Weiter geht es über Wiesen und Felder, über enge Singletrails und an vielen Mühlen vorbei. Kaputte Mühlen, wo nur noch das Innenleben zu erkennen ist, Mühlen, die als Wohnhaus genutzt werden, kleine Mühlen in Gärten und auch noch funktionstüchtige Mühlen. Der Checkpoint bei Kilometer 80 kommt aber genau richtig. Ich merke selber, dass ich viel zu wenig seit dem Start getrunken habe. Das holen wir jetzt dort nach. Ein paar Rätsel gelöst, ein leckere Limo getrunken und einen Energieriegel für später mitgenommen und mit einer Spende bezahlt. Nicht wundern, von mir kamen die 10 kg Kleingeld, welche ich seit Wochen in meiner Geldbörse umher schleppe.

Für uns geht es natürlich wieder weiter und langsam zurück Richtung Leipzig. Weit hinten sieht man jetzt Regenwolken aufziehen. 16 Uhr ist wirklich schlechtes Wetter angekündigt. Ich bleibe da optimistisch und denke, dass wir genau zwischen den beiden Regenwolken hindurch fahren werden, wenn ich mir den Track anschaue. Antje sieht das nicht ganz so und malt schon wieder schwarz, dass sie darauf gar keine Lust hat. 

An der nächsten Mühle gibt es nochmal ein paar Rätsel zu lösen, wann diese komplett umgesetzt wurde und welche Art Mühle sie überhaupt ist.

Eine Gruppe Senioren hat es sich hier mit Kaffee und Kuchen gemütlich gemacht und ich frage ob das hier der zweite Verpflegungspunkt ist. Sie wollen wissen was hier so viele Radfahrer machen. Sie freuen sich ernsthaft, als ich ihnen erzähle, dass wir hier so eine Art Schnitzeljagd per Rad machen. Schön, dass die jungen Leute noch so was tolles machen. 

Als wir abfahren, unterhalten wir uns relativ laut in der Gruppe und ein jüngerer Vater mit Kinderwagen „pssst“ mich an, doch bitte nicht so laut zu sein, da das Kind schläft. Einerseits ist das sicherlich ok, aber andererseits finde ich das schon etwas komisch hier in der freien Natur, wo ja ganz schnell mal auch ein Hund bellen kann oder im Hintergrund ein Gewitter donnert.

Weiter geht es in den Wald und es fängt an zu nieseln. Den richtigen kräftigen Schauer bekommen wir nicht ab. Denkste! Als wir auf freies Feld kommen, fängt es an zu schütten. Antje beantwortet meine Frage, nach meiner Regenjacke mit “Weiterfahren, im Stehen wird man nur nass”. Tolle Wurst, die letzte Mühle haben wir auch durch den Regen verpasst. Als es wieder in einen kleinen Wald hineingeht, treffen wir wieder auf zwei Mitfahrer und der Track will uns über ein freies und umgepflügtes Feld schicken. Nur ein schmaler Grünstreifen, der mit Brennnesseln zugewuchert ist, führt zur Hälfte darüber. Ich versuche mein Glück mit einem der beiden Jungs, der aber recht schnell aufgibt, da man zur Hälfte im Schlamm versinkt. Ich schultere mein Rad und will weiter, weil weiter hinten gar keine Grasnarbe mehr zu sehen ist und man sowieso durch den Schlamm übers Feld laufen müsste. Dann schreit Antje irgendwas von “nicht im Stich lassen” oder so und ich entschließe mich umzudrehen und allen emotional zur Seite zu stehen, denn ich weiß schon was kommt. Lisa ist auch wieder da und begleitet uns ab da. Jetzt aus dem Wald heraus beginnt das große Geschrei. Antje will nicht mehr, einer hat weiße Schuhe an (Victor, mein Schwager ist letztes Wochenende nicht mit weißen Schuhen den Stelvio hochgefahren, weil es geregnet hat, aber der ist auch kein richtiger Mensch), die nachher eher braun sind und die Fahrräder sind voller Schlamm und jetzt doppelt so schwer. Ich liebe es! Gravel ist nunmal nicht immer nur trockener Schotter, sondern auch tragen, schieben, Geröll und Schlamm. Durch ein paar Pfützen hindurch sind die Reifen aber schnell wieder sauber und es kann weiter auf die letzten 30 Kilometer gehen. Jetzt können wir endlich nochmal Gas geben. Lisa tritt rein wie eine Irre und ich habe große Probleme, dran zu bleiben. Antje hingegen quält sich jetzt ein bisschen hinten dran. Sie ist eben ne Bergziege, wie sie immer selber von sich behauptet und dieses flache Geballer schmeckt ihr gar nicht. Letztes Wochenende, den Stelvio hoch, ist sie allen davon gefahren. Bloß gut, dass noch ein paar Brücken über die Autobahn kommen und sie dort hoch krachen kann. Nochmals fahren wir zu dritt über einen schönen Singletrail durch den Wald und kommen anschließend durch Parkanlagen wieder auf das Gelände von Roter Stern Leipzig e.V. 

Wir waren wohl relativ schnell. Viele sind noch nicht da und Marie, die Organisatorin, hatte ein paar Zweifel an der Strecke, als sie meinen Instagram-post vom Schlammfeld gesehen hat. Aber ich fand die Strecke toll und auch Dreck gehört dazu. Zumal es gar nicht so schlimm gewesen wäre, wenn nicht kurz vorher der kräftige Regenschauer heruntergekommen wäre. 

Langsam trudeln alle Fahrer nach und nach ein. Unsere Fahrräder können wir gegen eine kleine Spende mit einem Hochdruckreiniger säubern und dazu gibt es frisch gezapftes Bier und vegane Schmalzstullen. Das äquivalent zur Oberlausitzer Fettbemme.

Bei allen Neuankömmlingen wird kräftig geklatscht und am Ende des Tages gibt es mehrere Feuertonnen, lustige Gespräche über Schinken in der Hose und auch eine Tombola mit vielen Preisen. 

Ein riesen Dank nochmal an alle Organisatoren/-innen und Helfer/-innen für dieses tolle Event. Es hat mega Spaß gemacht und es war eine tolle Stimmung

Fazit des Events für mich: Ich wusste nicht, wie viele und schöne Mühlen es um Leipzig gibt. Antje kann jetzt einen Hochdruckreiniger bedienen und ich habe mit 38 Jahren noch immer nichts bei einer Lotterie gewonnen, außer Erfahrung…😅

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