MittelgebirgeClassique Tag 6 oder Der Berg ist nicht genug

Heho und so, Freunde des lustigen Pedalierens.

Morgens um 5.30 Uhr klingelt diesmal der Wecker. Heute merke ich meinen geschundenen alten Körper schon etwas. Sicherlich hätte ich auch Reserven, aber 20000 Höhenmeter bis jetzt, gehen sicherlich an niemanden, so spurlos vorbei. Ein Blick in den Spiegel zeigt mir das übrige. Aufgeplatzte Lippen (JaJa, ich habe das mit dem Fettstift wieder etwas vernachlässigt, meine große Superheldenschwäche, Fettstift Phobie), Augenringe, rasieren könnte ich mich auch mal und zum Friseur sowieso! Aber heute kommen wir ins Finish. Komme was wolle. Die letzten 220 Kilometer und die paar kleinen “Hügel”, zumindest im Verhältnis zum Rest vorher, schaffen wir heute auch noch irgendwie. Das die ganze Sache ein kleines Hügelgebügel mit scharfen Prozenten wird, war uns bis hier noch nicht ganz so klar. 

Aus dem Hotel raus, geht es erst einmal 5 Kilometer bergauf. Nicht sehr scharf und auch sehr ruhig. Die Sonne scheint. Heute ist irgendwann Gewitter angemeldet. Nein, nicht in Neuss! Bis jetzt ist davon noch nichts zu sehen. Nach der Abfahrt, halten wir an einer Boulangerie, in einem kleinen Dorf. Hier scheint jeder jeden zu kennen. Wir werden auch, durch die Bank, mit einem Lächeln und freundlichen Bonjour begrüßt. Käääpooootscheeeinooo und Pain au Chocolat gibt es auf dem Bordstein zum Frühstück! Grüße gehen hiermit nochmal raus an Elza_per_se und das #Team. Auf dem Tracker ist Bernhard knapp hinter uns. Einholen wird er uns aber diesmal nicht. Flach geht es jetzt weiter bis zum nächsten Anstieg der nicht lang ist, dafür aber maximal 21% aufweist. Das tut richtig weh.

Es wird wärmer und wir fahren immer weiter durch kleine urige französische Dörfer, die jedes aus einem Film entsprungen sein könnte. Es wird teilweise immer flacher.

Nach knapp 150 Kilometern überqueren wir die Französisch-Deutsche Grenze. Völlig unmerklich. Hier steht kein Grenzzaun, kein Grenzstein, noch nicht einmal ein Schild das man jetzt Deutschland betritt und Frankreich verlässt. Ich persönlich finde das sehr schön. Das ist doch genau das, um was es bei Europa geht. Das Elsass war jahrhundertelang Zankapfel zwischen Deutschen und Franzosen. Dieses Ringen hat nicht viel gebracht, außer hunderttausende an Toten und wahrscheinlich noch viel mehr Leid. Irgendwann haben sich die Erbfeinde eines besseren besonnen und damit aufgehört. Bei Europa geht es nicht nur um wirtschaftliche Interessen, sondern an oberster Stelle darum, dass wir jetzt seit fast 80 Jahren keinen Krieg haben. Es gibt mittlerweile Generationen, die gar nicht mehr wissen, was Krieg überhaupt bedeutet. Und das soll auch bitte bitte so bleiben!!!

Als wir nach Deutschland einfahren, fängt es an zu regnen. Aber es ist ein schöner Regen. Die Art, erster warmer Sommerregen des Jahres, bei dem man halt Nass wird, aber nicht friert. Franzi zieht sich ihre Regenklamotten an und sieht jetzt, mit ihren Schuhüberziehern und der Warnweste, aus wie 1998 auf der Loveparade!

Irgendwann wird der Wald wieder dichter. Es ist noch feucht, aber dem Gewitter sind wir wohl entgangen. Vor einem Berg muss Franzi nochmal aufs Klo. Sie “explodiert” gleich, schreit sie beim absteigen. “Halt mein Rad, halt mein Rad! Aber pass auf die Laufräder auf, dass die nicht kaputt gehen” Ich verdrehe die Augen. Ja, klar. Die sind ja jetzt sicherlich wichtiger, als die Explosionsgefahr in ihrer Blase…

Beim Aufstieg sticht sie auch noch eine Mücke in die linke Pobacke. Das kannst du dir doch wieder nicht ausdenken. Perfektes blogging-material.

Von oben herab, geht es in den Pfälzerwald. Magisch ist es auch hier wieder. Durch die Wärme und Feuchtigkeit dampfen die Bäume und ein leichter Nebel hängt über dem Wald. Viel Freude haben wir aber nicht, denn jetzt kommen nochmal ein paar kleine freche Sachen, die uns die Routenplaner in den Weg gelegt haben. Es geht in Elmstein nochmal bis zum Schafhof, nach oben. Ich denke das hier alle geflucht haben. Aber es wird nicht abgestiegen! Nein, dieser Berg macht uns auch nicht mehr kaputt, nach der vergangenen Route. 24% in der Spitze. Arrrggghhh.

Als letztes folgt die Kalmit. Diese haben wir Sonntag morgen schon von der anderen Seite als ersten Berg überquert. Jetzt wieder zurück. 8 wundervolle Kilometer, die sich auch sehr ruhig, ohne Autoverkehr, fahren lassen. Jetzt wieder nach unten. Auf der Abfahrt steht ein Junge mit seinem Mountainbike und feuert uns nochmals an. Süß!

Es folgt der letzte Aufstieg zum Hambacher Schloss. Erste einheitlich deutsche demokratische Bestrebungen haben hier angefangen! Also auch ein sehr historischer Platz. Ein blaues Cabrio überholt uns nach oben! Franzi bekommt einen Adrenalinstoß und schaltet wie wild runter. Krach. Kette runter und verhakt zwischen Kurbelgranz und Flaschenhalter. Na klar! Ratet mal, wer sich jetzt kurz vor dem Ziel noch die Hände ölig machen darf…

Jetzt aber auch egal. Oben angekommen, treffen wir die drei aus dem Auto wieder. Wir bitten schnell darum, ein Foto von uns zu machen. “Ihr wart aber schnell oben. Wir haben euch unten überholt”. “Jo, haben wir gemerkt” sage ich grinsend.

Jetzt noch runter in die Abfahrt zum inoffiziellen Ziel, auf dem Marktplatz in Neustadt an der Weinstraße. Müssten wir nicht, weil die Zeitnahme am Schloss war, aber gehört sich so, da alle anderen das auch so gemacht haben. Unten angekommen, erwarten uns tatsächlich noch ein paar Leute und beglückwünschen uns fürs ankommen. Als Tausch für den Tracker, bekommen wir als Pokal ein großes schönes Glas. Ein bisschen Plausch mit allen, wie es denen ergangen ist auf der Tour, Nerdtalk über Fahrradtechnik und Ausstattung und wo Bernhard “The Phantom” Schwaab eigentlich steckt. Spoiler: Er wird es heute auch noch schaffen. Ein absolut Inspirierender Mann. Herzlich, fröhlich und durch und durch sympathisch. Nach der kleinen Talkrunde wollen wir aber auch heim. Wir sind doch etwas platt und irgendwann möchten wir ja mal wieder im heimischen Bett schlafen. Außerdem stinken wir sicherlich ein wenig.

Nach so einem Rennen ist man einerseits sehr stolz, es geschafft zu haben, aber andererseits auch irgendwie immer sehr wehmütig, dass es vorbei ist und man nicht weiterfahren kann. Aber wie schrieb ich es heute einer Bekannten. 

„Ein Ende kann(wird) ein Anfang sein. Das nächste Abenteuer kommt und liegt wahrscheinlich schon hinter der nächsten Tür.“

Das einzige was uns auf dieser Tour leider nicht vergönnt war, ist der Moment, als Bernhards Handy ihm sagte: “Sie haben ihr Ziel erreicht!” 😉

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