Heho und so, Freunde des lustigen Pedalierens.
Bloß gut, dass in der Lobby des Hotels ein Kaffeeautomat steht. Früh um 5.30 Uhr hat die Tankstelle gegenüber meines Hotels in Alcázar de Juan noch geschlossen. Also erstmal einen kleinen Kaffee rein, schnell richtig munter werden und dann raus. Es ist, wie die vorherige Nacht, etwas frischer, so dass ich zu Beginn mit Regenjacke fahre.
Es geht an den Windmühlen auf dem Hügel, auf dem ich gestern war, vorbei, immer Richtung Checkpoint 6.
Ich hatte die Nacht im Parkhaus gesehen, dass zwei andere Fahrer auch im gleichen Hotel waren. Rowan, der Australier und ein Belgier. Schicke Räder haben sie jedenfalls. Die sind schon ein paar Kilometer weiter vorn, weil sie eher gestartet sind.
Nach den ersten 20 Kilometern halte ich in einem Ort und trinke an einer Bar wieder den obligatorischen Caffee Solo mit Milch. Also sozusagen doch kein Caffee solo.
Die Strecke ist ähnlich wie gestern Abend. Flach, durch abgeerntete Felder, zieht sich eine Straße schnurgerade, kilometerweit Richtung Osten. Glücklicherweise habe ich Rückenwind und deshalb geht es die erste Stunde relativ einfach und schnell voran. Einerseits ist die Landschaft langweilig, andererseits ist die Stimmung jetzt am Morgen grandios. Es sind noch nicht viele Autos unterwegs, die Sonne geht langsam vor mir auf und ich habe tolle Musik im Ohr. Meine Playlist auf Spotify “Nur Hochs…” hat mich noch nie im Stich gelassen. Mal ballert der Bass von Queens “Another One Bites The Dust” im Ohr, dann kommt The Who mit “Baba O’Riley” und dann wieder “Love Train” von The O’Jays. Ich könnte mir gerade keine bessere Untermalung für diese Landschaft vorstellen. Gerade würde ich nichts anderes tun wollen. Die absolute Freiheit und Ruhe. Man könnte sagen, ich bin mit mir selbst im Reinen und im Auge des Sturms, wo es um einen tobt, aber im Zentrum einige Zeit ganz ruhig ist.
Aber wie das mit solchen Momenten so ist, vergehen die genauso, wie sie kommen. Ultracycling ist wie eine Achterbahnfahrt. Mal hat man ein emotionales Hoch und einen Moment später kann sich das ganze ins Schlechte wenden und umgekehrt.
Bei mir passiert das einige Zeit später, als mir Komoot wieder einen Ast in die Speichen drückt.
Die Straße wird nach einer kleinen Stadt wieder schlechter, führt durch einen riesigen Windpark, um dann ganz und gar zu einem landwirtschaftlichen Schotterweg zu werden. Mein Vater in der Rennzentrale meldet sich schon wieder am Handy, dass ich einen anderen Weg fahre als die anderen. Egal, jetzt muss ich hier durch. Wird schon nicht so lange dauern. Nach 10 Kilometern, immer an der Autobahn entlang und mehrmals darüber, komme ich wieder auf Asphalt und endlich kurz vor dem Checkpoint heraus. Noch ein Hügel, vorbei an einigen Ornithologen, die hier anscheinend campen und den Tag über Vögel beobachten. Von oben sieht man, dass wieder eine Talsperre eine große Schneise durch die Landschaft zieht und als ich nach rechts zur Burganlage Alarcón einbiege, pustet mir der Wind das erste Mal mit voller Kraft ins Gesicht und ich darf mal so richtig in die Pedale treten.
In der Festungsanlage aus dem 14. Jahrhundert fülle ich erst einmal meine Vorräte auf. Wasser gibt es auch hier überall öffentlich. Es ist jetzt kurz nach 12 Uhr mittags und ich habe noch ein wenig zu Essen vom letzten Abend. Also spule ich mir mein Baguette und die Packung Salami rein. Dazu noch eine Orange und eine Banane. Danach noch ein Powernap zwischen den Touristen unterhalb der Burg von 30 Minuten, da ich mich gerade doch etwas kaputt fühle.
Als ich weiterfahre, ändert sich die Richtung meiner Strecke und es geht immer gegen den Wind. Beim Blick auf meine Wetter-App und den Streckenverlauf schwant mir, dass das die nächsten 700 Kilometer so bleiben könnte. Denn ich fahre immer nach Westen. Dazu kommt, dass meine Route hauptsächlich flach ist. Falls die Vegetation und die Landschaft so bleiben, wird das emotional sicherlich nicht der Knaller und viel im Kopf entschieden. Aber der Rest der Fahrer muss ja auch in die Richtung. Also ist geteiltes Leid nur halbes Leid und die nächsten Tage sind einfach gut zur Stärkung des Charakters. Man muss sich da im Kopf einfach eine Kiste mit den negativen Gedanken machen und die dort einsperren. Außerdem mache ich es immer gern so, dass ich mir als Ziel die nächsten 10 Kilometer vornehme. Die will ich schaffen und dann mit mir selbst neu verhandeln. Mental hilft mir das ungemein.
Das geht so wieder die nächsten 70 Kilometer, bis ich dann irgendwann langsam drohe, leer zu laufen. Wasser ist kein Problem, aber essen. Die Dörfer sind hier so klein und die Besiedlung so gering, dass ich in keiner Ansiedlung einen Shop finde. Es geht meistens an der Autobahn entlang und als ich dann noch weiter ins Hinterland komme, fängt es sogar an zu nieseln. Gott sei Dank, aber nur 5 Minuten und danach ist der Spuk wieder vorbei. Irgendwann komme ich dann endlich mal im Nirgendwo an einer Tankstelle an, um mich dort mit Schokoriegeln, Baguette, abgepackter Wurst und ein paar Softdrinks zu versorgen.
Danach geht es weiter durch welliges Terrain, immer weiter gegen den Wind. Meinen Zeitfahrlenker lerne ich heute das erste Mal richtig lieben. So klein wie möglich mache ich mich und irgendwann wird es Abend und die Sonne geht langsam unter. Kinder spielen hier und ich denke bei mir so, wie es wäre, hier in der Einöde aufzuwachsen, wo es als Spielkameraden nur eine Handvoll Kinder gibt.
Gegen 22 Uhr werde ich langsam wieder müde. In einem Dorf versuche ich noch einen Schlafplatz zu finden, aber überall ist noch Stimmung, also mache ich nochmal an einer kleinen Tankstelle Pause. Knall mir einen Liter Cola rein, trinke einen Espresso, esse ein wenig und mache mich auf in die Nacht.
Mein Ziel ist einfach noch 3 Stunden weiterzufahren und Meter zu machen. Aus drei werden dann nur zwei. Denn es geht dann doch noch ein paar kurze, aber steile Rampen nach oben. Wieder durch eine kleine Stadt, in der ein großes Volksfest gefeiert wird. Als ich den Berg hinunterfahre, merke ich wieder wie müde und unkonzentriert ich bin und beschließe deshalb, mir im nächsten Dorf eine ruhige Ecke zu suchen und dort mein Lager aufzuschlagen.
Da am Ortsausgang kaum etwas los ist, werfe ich mich einfach etwas versteckt hinter einer Hecke auf den Gehweg an einer Mauer. Es wird schon keiner über mich stolpern, denke ich mir noch beim Aufbau meines Schlafplatzes. Da Murphys Gesetz das aber nicht zulässt, geht in dem Moment, als ich gerade fast eingeschlafen bin, ein 30-minütiges Feuerwerk los und alle Anwohner kommen aus ihren Häusern gestürmt. Da liege ich nun auf dem Gehweg unter freiem Himmel, der mich rot, grün und blau anleuchtet und schaue mir ein Feuerwerk an, obwohl ich ja einfach nur schlafen möchte. Um mich herum Leute, die staunen und in den Himmel starren. Aber alle lassen mich nachher in Ruhe und gehen zurück in ihre Häuser und ich kann nach 255 Kilometern endlich für 3 Stunden schlafen.
Transiberica Part 5 or „Who sows the wind will reap storm“
Heho and all that, friends of fun pedaling.
Just as well there’s a coffee machine in the lobby of the hotel. The petrol station opposite my hotel in Alcázar de Juan is still closed at 5.30am. So I grab a quick coffee, wake up quickly and then head out. Like the previous night, it’s a bit chilly, so I start out in my rain jacket.
I pass the windmills on the hill I was on yesterday, heading towards Checkpoint 6.
I had seen in the parking garage that night that two other riders were also in the same hotel. Rowan, the Australian, and a Belgian. They certainly have nice bikes. They are already a few kilometers ahead because they started earlier.
After the first 20 kilometers, I stop in a village and drink the obligatory Caffee Solo with milk at a bar. So no Caffee Solo after all, so to speak.
The route is similar to yesterday evening. Flat, through harvested fields, a road runs dead straight for miles towards the east. Fortunately, I have a tailwind and so the first hour is relatively easy and fast. On the one hand, the landscape is boring, but on the other, the atmosphere in the morning is fantastic. There aren’t many cars on the road yet, the sun is slowly rising in front of me and I have great music in my ears. My Spotify playlist „Only highs…“ has never let me down. Sometimes the bass of Queen’s „Another One Bites The Dust“ bangs in my ear, then comes The Who with „Baba O’Riley“ and then again „Love Train“ by The O’Jays. I couldn’t imagine a better soundtrack for this landscape right now. I wouldn’t want to do anything else right now. Absolute freedom and peace. You could say I’m at peace with myself and in the eye of the storm, where it’s raging around you, but at the center it’s calm for a while.
But as is the case with such moments, they pass as quickly as they come. Ultracycling is like a rollercoaster ride. Sometimes you have an emotional high and a moment later it can turn bad and vice versa.
This happens to me some time later when Komoot pushes another branch into my spokes.
The road deteriorates again after a small town, leads through a huge wind farm and then turns completely into an agricultural gravel road. My father at the race headquarters is already on his cell phone again, telling me that I’m taking a different route than the others. Never mind, I have to get through here now. It won’t take that long. After 10 kilometers, always along the highway and several times over it, I get back on asphalt and finally just before the checkpoint. Another hill, past some ornithologists who seem to be camping here and watching birds throughout the day. From the top you can see that another dam cuts a large swathe through the landscape and as I turn right towards the Alarcón castle complex, the wind blows full force into my face for the first time and I can really get pedaling.
In the 14th century fortress, I first fill up my supplies. There’s public water everywhere here too. It’s now just after 12 noon and I still have some food left from the previous evening. So I tuck into my baguette and the packet of salami. Plus an orange and a banana. Then I take a 30-minute power nap between the tourists below the castle, as I’m feeling a bit exhausted.
As I cycle on, the direction of my route changes and it’s always against the wind. Looking at my weather app and the route, I realize that it could stay that way for the next 700 kilometers. Because I’m always heading west. What’s more, my route is mainly flat. If the vegetation and the landscape stay like this, it’s certainly not going to be emotionally thrilling and a lot will be decided in my head. But the rest of the riders also have to head in that direction. So shared suffering is only half suffering and the next few days are simply good for strengthening your character. You just have to make a box in your head with the negative thoughts and lock them away there. I also always like to set myself the goal of the next 10 kilometers. I want to complete them and then renegotiate with myself. It helps me a lot mentally.
This continues for the next 70 kilometers until I slowly start to run out of energy. Water is not a problem, but food is. The villages here are so small and the population so sparse that I can’t find a store in any of them. It’s mostly along the highway and as I get further inland, it even starts to drizzle. Thank goodness, but only for 5 minutes and then it’s over again. At some point, I finally arrive at a petrol station in the middle of nowhere to stock up on chocolate bars, baguettes, packaged sausage and a few soft drinks.
Then I continue through undulating terrain, always against the wind. I learn to really love my time trial handlebars for the first time today. I make myself as small as possible and at some point evening falls and the sun slowly sets. Children are playing here and I think to myself what it would be like to grow up here in the wasteland with only a handful of children to play with.
I start to get tired again around 10 pm. I try to find a place to sleep in a village, but there’s still a buzz everywhere, so I take another break at a small petrol station. I pop a liter of Coke, drink an espresso, eat a little and head off into the night.
My goal is simply to ride on for another 3 hours and make some meters. Three turns into just two. After all, there are still a few short but steep ramps to climb. Again through a small town where a big festival is being celebrated. As I ride down the mountain, I realize again how tired and unfocused I am, so I decide to find a quiet corner in the next village and set up camp there.
As there is hardly anything going on at the end of the village, I simply hide behind a hedge on the sidewalk next to a wall. Nobody will stumble over me, I think to myself as I set up my sleeping place. But since Murphy’s Law doesn’t allow this, just as I’m about to fall asleep, 30 minutes of fireworks go off and all the residents come storming out of their houses. There I am, lying on the sidewalk under the open sky, which lights up red, green and blue, watching fireworks, even though I just want to sleep. All around me, people are amazed and staring at the sky. But everyone leaves me alone afterwards and goes back to their houses and I can finally sleep for 3 hours after 255 kilometers. At some point, I finally arrive at a petrol station in the middle of nowhere to stock up on chocolate bars, baguettes, packaged sausage and a few soft drinks.
Then I continue through undulating terrain, always against the wind. I learn to really love my time trial handlebars for the first time today. I make myself as small as possible and at some point evening falls and the sun slowly sets. Children are playing here and I think to myself what it would be like to grow up here in the wasteland with only a handful of children to play with.
I start to get tired again around 10 pm. I try to find a place to sleep in a village, but there’s still a buzz everywhere, so I take another break at a small petrol station. I pop a liter of Coke, drink an espresso, eat a little and head off into the night.
My goal is simply to ride on for another 3 hours and make some meters. Three turns into just two. After all, there are still a few short but steep ramps to climb. Again through a small town where a big festival is being celebrated. As I ride down the mountain, I realize again how tired and unfocused I am, so I decide to find a quiet corner in the next village and set up camp there.
As there is hardly anything going on at the end of the village, I simply hide behind a hedge on the sidewalk next to a wall. Nobody will stumble over me, I think to myself as I set up my sleeping place. But since Murphy’s Law doesn’t allow this, just as I’m about to fall asleep, 30 minutes of fireworks go off and all the residents come storming out of their houses. There I am, lying on the sidewalk under the open sky, which lights up red, green and blue, watching fireworks, even though I just want to sleep. All around me, people are amazed and staring at the sky. But everyone leaves me alone afterwards and goes back to their houses and I can finally sleep for 3 hours after 255 kilometers.