Heho und so, Freunde des lustigen Pedalierens.
Am See wache ich, geküsst vom ersten Sonnenlicht, auf. Packe meine sieben Sachen zusammen und mache mich auf den Weg. 50 Meter weiter tut es mir gerade ein anderes Pärchen gleich und räumt die Sachen zusammen. Ich glaube, sie sind auch Deutsche, habe aber bis jetzt nie Kontakt mit beiden gehabt.
Ein Dorf weiter, wird gerade für einen großen Straßenmarkt aufgebaut und der Polizist lässt mich nicht mit dem Fahrrad durch die kleine enge Innenstadt. Am Sonntag um 6.15 Uhr ist hier aber schon sehr viel los. Leute wuseln herum und bauen ihre Stände auf. Marmeladen, Früchte, Backwaren, Süßes, Bücher. Einer hat sogar Haushaltsgeräte im Angebot. Teils sieht es aus wie ein Wochenmarkt und teils wie ein Flohmarkt. Ich umfahre das Treiben ein wenig und suche mir erstmal was zum Frühstück, da hier noch niemand offiziell offen hat. Das Wetter passt aber. Es wird bestimmt ein tolles Happening.
Ich hatte auf eine Tankstelle gehofft, habe aber großes Glück. Am Ortsausgang ist eine Boulangerie. Natürlich klatsche ich mir gegen den Kopf. In Frankreich haben die Geschäfte ja auch am Sonntag geöffnet. Ich hatte mir schon ernsthaft Sorgen gemacht, wie ich den ganzen Tag an Verpflegung komme, abgesehen davon, dass ich auch in Restaurants anhalten könnte. Erstmal rein in den kleinen Bäcker und die Auswahl anschauen. Eine riesige Palette belegte Baguettes, Backwaren, Süßes und natürlich auch einen Käääppoootscheino! Ich entscheide mich für ein Schinkenbaguette, ein Pain au Chocolat (muss ich das noch erklären?) und ein Swiss, eine Art Éclair mit Nuss-Nougat-Füllung. Oder war es nur Schoko? Keine Ahnung, es ist auf jeden Fall ein Traum. Backen können die Franzosen eben, dass muss man ihnen lassen. Ab aufs Rad und trinken sowie essen unterwegs. Heute wird es wieder sehr sehr heiß. Jeden Tag werden größere Temperaturrekorde vorausgesagt und für mich geht es ja heute hoch in die Mondlanschaft des “Géant de Provence” und da gibt es kaum bis gar keinen Schatten.
Durch flachere Landschaften, umsäumt von leichten Hügeln der Provence, geht es durch duftende Lavendelfelder. Hier duftet es überall herrlich, die Sonne scheint und ich habe Rückenwind. Man kommt durch kleine verschlafene Dörfer, in denen nur eine handvoll Häuser stehen. Hinter jedem Hügel erwarte ich den Giganten, aber er zeigt sich noch nicht. Ich bin leicht aufgeregt auf das bevorstehende Zusammentreffen und fahre in eine Schlucht hinein. Immer an einem kleinen Fluss entlang geht es nach oben. Dabei muss ich mich zusammenreißen, nicht doch noch ins Wasser zu springen. Der Fluss ist so ausgetrocknet, dass sich überall kleine Wasserlöcher gebildet haben, die blau-türkis im Sonnenlicht leuchten. Dann geht es nochmals schnell bergab, raus aus der Felsschlucht und nach oben.
Ab hier geht es nach oben 25 Kilometer zum Mont Ventoux. Auch so ein legendenumwobener Berg des Radsports der einfach so alleine in der Provence herumsteht. Ich wähle die einfache Ostauffahrt die mit ihren 19 Kilometern bis zum Chalet Reynard noch relativ flach und einfach zu fahren sind. Die Hitze und mein Körper machen es mir heute aber nicht so leicht. Gerade auf dieser „leichten“ Strecke ist der Akku völlig leer. Ich muss mich zweimal in den Schatten setzen und durchschnaufen. Mein Wasser wird auch langsam knapp. Ich schleppe mich irgendwie bis zum Chalet. Thomas ist auch wieder da und wir hauen uns ne Cola und Gummibären rein und ich fasse Wasser nach. Ab hier beginnt jetzt der lustige Teil, durch die berühmte Mondlandschaft. Der erste Kilometer ist noch relativ flach mit seinen 5%, doch die letzten 6,5 Kilometer mit 8% tun richtig, richtig weh. In der Steinwüste gibt es auch bis hoch zum Plateau keinen Schatten. Mein Körper ist aber wieder da und ich fahre das Stück mit einem Lächeln nach oben, denn es fühlt sich weitaus besser an, als die flachen Kilometer weiter unten, als ich große Probleme hatte. Oben machen ein paar ältere radsportverrückte Herren Fotos von mir. Irgendwo stehe ich jetzt evtl. bei einem Herren im Fotorahmen in der Vitrine oder über seinem Fernseher.
Oben am inoffiziellen vierten Peak angekommen, machen wir nur noch kurz ein paar Fotos und dann geht es sofort in die tolle, frisch geteerte Abfahrt, auf den letzten Finishparcour bis nach Nizza.
Es ist so heiß. Ähnlich fühlt es sich wohl an, wenn man sich einen Föhn ins Gesicht hält. Bis nach Malaucène rollen wir und dann muss etwas zu essen her. Untypisch für Frankreich sind das Spaghetti Bolognese. Völlig egal.
Thomas und ich wollen jetzt noch gut zwei Stunden fahren und uns dann eine feste Unterkunft suchen, um nochmal gut für die restlichen 420km und knapp 7500 Höhenmeter durchzuschlafen und irgendwie ausgeruht früh morgens starten zu können.
Aber vorher treffen wir nochmal Robby. Den Franko-Belgier habe ich das letzte Mal am Aufstieg zum Peak 1 getroffen, als wir unsere Satteltaschen unten gelassen hatten. Die drei Zinnen hoch musste er sein Rad schieben und die letzten Tage ist er nur noch Nachts gefahren und hat tagsüber geschlafen. Am Tag ist es zu heiß für ihn.
In einem kleinen Dorf fahren wir über den Marktplatz. Leute sitzen an kleinen Tischen, eine Frau begleitet von einer Violine und einem Klavier singt französische Chansons, es duftet nach Flieder. Das ist das romantische Frankreich aus dem Fernsehen. Wir beschließen zu bleiben. In einer Bar fragen wir nach zwei Zimmern und großen Bieren. Die Verständigung klappt dabei nur bedingt, bis ich auf die Idee komme, den Google Übersetzer zu nutzen. Endlich geht allen ein Licht auf und wir können den Abend mit einem Lächeln beenden. Krass, dass sogar die jungen Franzosen kein Wort Englisch beherrschen.
Soll uns doch Schnuppe sein, denn das Bier schmeckt super. Also rein in die hohle Birne. Ich verabschiede mich etwas eher in mein Zimmer. Dusche und telefoniere noch kurz, um dann schon gegen 22 Uhr einzuschlafen.
Noch zwei Tage bis ins Ziel nach Nizza!