Heho und so, Freunde des lustigen Pedalierens.

Hier heute mal ein kleiner Zwischenbericht vom @MauriceBrocco400, welches mit Hilfe der @schleudergang.dresden und anderen tollen Helfern, ab Dresden ausgerichtet wurde.

Zu allererst, was ist das @MB400 überhaupt? Maurice Brocco war, der Legende nach, erster Domestik bei der Tour de France. Domestiken sind jene Helfer, die den Kapitänen zum Sieg verhelfen und dabei Wasser schleppen, im Wind stehen und quasi die Drecksarbeit verrichten. Damals 1907 gab es noch keine Teams, sondern nur Einzelfahrer und er verkaufte seine Dienste als Erster an einen potenziellen Gewinner.

Der Veranstalter, Coco, des @MB400 hatte sich diesen frühen „Helden“ des Radsports und gleichzeitig auch noch die magische Zeit der Nachtfahrt bzw. das morgendliche Erwachen des Tages auf dem Rad, als Inspiration genommen um dieses Event aus der Taufe zu heben. Somit war das Maurice Brocco 400 geboren, welches schon seit ein paar Jahren stattfindet und man 400 Kilometer und ein paar zerquetschte in 24 Stunden fahren soll. Drumherum garniert mit ein paar Checkpoints für Verpflegung, Stempeln und Spaß mit anderen Wahnsinnigen, plus noch die Sicherheit eines Besenwagens, den man bei vorzeitiger Aufgabe zur Abholung verständigen kann.

Aber jetzt mal zum wesentlichen. Antje aka @Sektschleuse und ich, hatten uns im Vorfeld schon etwas verständigt, dass wir die 24h Herausforderung gemeinsam angehen wollten. Die Vorzeichen standen aber erstmal alles andere als gut. Die aufopfernde Antje hatte die Strecke schon im Vorfeld, teilweise auf Herz und Nieren gescoutet, um dann eine Woche vorher Probleme mit dem Magen zu bekommen. Gefühlt tausend geschriebene und sprachliche Nachrichten, gingen die gesamte Woche über WhatsApp. Von „Dr. Google hat mir gesagt, dass es der übermäßige Kofolakonsum letztes Wochenende gewesen sein muss, der meine Magenschleimhaut unwiederbringlich für immer zerstört hat!“, über „Wenn ich am ersten Checkpoint umfalle, dann lass mich zitternd liegen und fahr alleine weiter. Rette dich selbst, ich schaffe das eh nie in dem Zustand!“ zu schlussendlich: „Die unendliche Finsternis des Lebens und der dunkle Maelstrom des Seins lässt mich nie mehr aus seiner kalten festen Hand. Es ist doch alles Sinnlos!“

Bei sowas bleibe ich natürlich immer erstmal ruhig und höre zu, um dann die geflügelten und emphatischen Worte zu sagen, die jede Frau in ihrer verzweifelten Situation hören will und welche sie wieder neue Kraft und Hoffnung schöpfen lässt. 

„Joar ähhh, schau mer mal. Das wird schon irgendwie werden, ne?“ 😅

Ich fahre 9 Uhr bei mir daheim mit Auto los. Der Zug nach Dresden fällt wohl leider wegen Urlaub und Mitarbeitermangel aus. An der Tankstelle der erste Käääpppoootscheinooo und auch die Bockwurst sieht mir liebevoll in die Augen. Aber es ist noch nicht die Zeit für Bockwurstberndt. Jedenfalls hole ich die aufgeregte Antje 11 Uhr ab. Vorher bekomme ich noch die Info von ihr, dass ich doch bitte auf die Scherben in der Neustadt aufpassen soll. Ja, danke dafür denke ich mir. Scherben in der Neustadt. Was ganz neues. Das ist so, als das man einen daran erinnert, doch bitte nicht das atmen zu vergessen!

Krank kommt sie mir auch nicht gerade vor, als sie mich lachend und strahlend vom Balkon begrüßt.

Endlich geht’s zu zweit Richtung Bremer Straße zum katholischen Friedhof, wo die Zentrale bzw. der Startpunkt ist. Schon ne Menge los. Wir melden uns an, bekommen unsere Stempelkarte und die Mütze. Denn wie jeder weiß, nur für die schnittigen Mützen fahre ich solche Events.

Die außerordentlich anmutige Antje hat ihre eigene Art von Vorbereitung. Ein surreales Bild für mich. Eine Frau mit Handspiegel, viele Fahrräder und überhaupt die meisten Menschen in Radfahroutfits und das zusammen auf einem Friedhof, neben einer kleinen Kirche. Irgendwie ganz lustig. Ein paar Gespräche noch unter anderem mit der lieben Lisa, die auch schon etwas aufgeregt ist und der Tipp, dass man sich ein Codewort ausmachen soll, wenn man mal in den nächsten 24 Stunden, „nicht“ reden möchte. Wir beiden wählen „Tripper“. Ich bin mir aber nicht sicher, ob dieses Thema zu nahen Bezug an die Realität nimmt und man dadurch versehentlich eher in tiefere Gespräche verwickelt werden könnte.

Kurze Besprechung und dann geht es schon in großer Gruppe raus aus Dresden. Auf der Bautzner Landstraße trennen sich die Gruppen langsam. Drei Wege wurden vorgeschlagen. Wir beide haben unseren eigenen Track, den die anleitende Antje gebaut hat. Ich verlasse mich da auf sie. Sie sagt von sich sowieso, dass sie da sehr dominant sein kann und hat da mit mir wohl auch den richtigen Partner gefunden. Solange mich das alles nicht wirklich tangiert und wir gut vorankommen, sind mir die Details herzlich egal und es passt schon so.

Aus Dresden raus, Richtung Stolpen, treffen wir auf eine kleine Vierergruppe. Die Jungs aus Berlin, geben richtig Gas. Zuviel Gas für mich! Zwei von ihnen müssen eingebremst werden. Ein paar launige Gespräche und dann trennen sich unsere Wege wieder. Allein geht es jetzt für uns über Sebnitz und Varnsdorf, durchs Zittauer Gebirge wieder über die Grenze Richtung Liberec. Dort in einem kleinen Nebenort bei einem Fußballverein, ist der erste Checkpoint mit Kofola, Putensandwiches, Brownies und den dazugehörigen veganen Alternativen. Kurzer Stopp um die Mägen und Taschen zu füllen, wobei die aufmerksame Antje sich noch nicht recht an Kofola (krass wie viele Teilnehmer diesen Zaubertrank der Tschechen nicht kennen) herantraut. Also trinke ich einfach ihren Rest aus und wir satteln unsere Pferde Malina und Mary-Jane.

130 km und 1800 hm haben wir jetzt schon. Der nächste CP kommt in ca. 100 Kilometern. Am Jeschken vorbei und durchs tschechische Hinterland bis Richtung Decin. Relativ flach fahren wir der untergehenden Sonne durch den ehemaligen Ostblock entgegen. Verfallene „Lost places“ der Industrie und alte erhaltene sowjetähnliche Bauwerke mit imposanten, verschnörkelten Simsen und Lisenen in den größeren Orten, wechseln sich ab. Das hat schon seine ganz eigene abendliche Radromantik. Ab Decin kommt der größte Anstieg der Tour. Quasi das Dach unseres Tracks. Der Děčínský Sněžník, oder auch Schneeberg. Ganz hoch wollen wir. Aber nach einer Stunde kraxeln durch die Nacht, kurz vor dem letzten richtig steilen Stück, ruft jemand aus dem Dunkeln das der Checkpoint schon hier ist. Die abgelenkte Antje ist völlig im Tunnel und ich muss sie zurückrufen. 

Der Checkpoint musste nach unten versetzt werden, da es oben Probleme mit der Naturschutzbehörde gab, die es nicht so gut fanden, dass dort oben ein paar verrückte Radfahrer ein wenig feiern.

CP2 wird von @BallernBallern Phil betreut. In seinem Bus hat er kistenweise bestes Oliven-Foccacia aus Leipzig und literweise Kofola gelagert. Es läuft Discomucke und eine rotierende Discokugel beleuchtet die Szenerie mit knapp 20 ein- und abfahrenden Radfahrern. Wenn wir nicht schon 230 km und 2800 hm in den Beinen hätten, würden wir wohl anfangen zu tanzen. Phil feiert seinen Geburtstag am Checkpoint. Nochmal alles Gute nachträglich und danke für die tolle Zeit dort oben.

Für uns geht es jetzt um 23 Uhr in die lange Nacht. Noch ein, zwei Brownies mit auf den Weg und über den Kamm der böhmischen Schweiz, geht es in das Herz des böhmischen Erzgebirges. Immer auf und ab, durch Wälder und über kleine Straßen, über Staumauern an Seen im Mondschein und knapp an der Grenze geht es entlang. Auf den Gipfeln ist es dabei relativ warm und in den Tälern wirklich bitter kalt und neblig. Unsere Gesprächsthemen sind dabei Lebensmodelle, Ex-Partnerschaften, klettige Menschen beim Rad fahren, zukünftige Abenteuer, Gründe warum man hier und überhaupt auf dem Rad sitzt, überhaupt die Wahl des Rades (wer fährt denn sowas überhaupt mit einem Gravelbike? 😉) usw. Ein richtiger Seelenstriptease. Die analoge Antje und ich haben da einen guten Draht zueinander. Sie schreit sehr oft, weil Nacktschnecken über die Straße kriechen und sie ja bekanntlich eine Phobie gegen diese Tiere hat. Ich antworte oft, dass mir viele Dinge egal sind. Aber das stimmt so eigentlich nicht und drückt es zu hart aus. Ich finde nur das man andere Dinge und Menschen einfach laufen/machen lassen sollte und sich eher um sich kümmern sollte. Jeder ist seines Glückes selber Schmied! Irgendwann, kurz neben Zinnwald, überholt uns ein Zug von 7-8 Männern. Wie ein Ufo sieht es aus, wenn die roten Rücklichter von weiten blinken. Da muss man sich nur die Akte-X-Titelmelodie dazu vorstellen. 

Als sie pausieren, überholen wir sie und sie rufen uns zu, dass wir von weitem wie ein Auto aussehen, weil wir nebeneinander fahren. Lustig wie sich die Wahrnehmungen unterscheiden. Ich antworte noch schnell, dass wir uns auch so anhören können und mache brumm brumm. 

Kurz vor der Grenze wird es hinter uns im Osten langsam hell. Noch ein schönes Gravel- und Hikestück zum absteigen, bei dem die aufschreiende Antje cholerischer wird, als ich es jemals hier ausdrücken könnte und auch ich muss hier mal kurz richtig durchschnaufen. Doch dann sind wir über die Grenze am Bärenstein. Noch kurz steil nach oben und im Skiheim gibt es eine leckere Kartoffelsuppe mit Wienern und ein alkoholfreies Hefeweizen. Bockwurstberndt ist also wieder da! Die drei Mäuse die den Checkpoint betreuen, haben die ganze Nacht nicht nur „ein“ Hefeweizen getrunken. Da waren glaube schon zwei, drei mehr dabei. Und vielleicht auch das ein oder andere Schnapperle. Lustig ist es trotzdem und schweineheiß in der kleinen Hütte. Da schläft man früh um 6 Uhr fast ein. Deshalb muss ich die abhängende Antje jetzt antreiben, dass wir los wollen. Für Einen von den drei Betreuern, kommen wir nach seiner Aussage, als Pärchen rüber. Dieses Missverständnis wird natürlich gleich, als Fahrradlebensabschnittsgefährten, berichtigt.

Jetzt geht es der aufgehenden Sonne entgegen. Noch knapp 100 Kilometer und 1000 Höhenmeter haben wir und es geht Richtung Brand-Erbisdorf. Durch Mittelsachsen zieht sich unsere Fahrt jetzt aber doch erheblich. Wir sind nie richtig müde, wovor ich am meisten Respekt hatte, aber doch etwas matt und jeder Hügel fährt sich schwerer. Aber es ist schon ein Unterschied, fit und frisch in so ein Event zu gehen oder eben wie die letzten Tage beim Three Peaks Bike Race mit 2000 Kilometern und 30000 Höhenmetern in den Beinen.

Jedenfalls zieht mich hier, die andauernd ausrufende  Antje, immer wieder nach oben. Wie so ein Gummiseil muss das von außen aussehen. Bergab fährt sie mir meist davon und zum Ende der Welle fahr ich wieder heran. Manche Wellen sind dann 3 Kilometer lang mit 12% Durchschnittssteigung. Lustig nach fast 400 Kilometern.

Irgendwann kommen wir an CP4 an und wollen eigentlich nur schnell stempeln und dann weiter. Aber dieses Buffet und endlich der erste Checkpoint mit Kaffee, lassen uns doch noch etwas verweilen. Ein paar lustige Sprüche und die Aussage, dass ich Mittelsachsen von der Fahrbarkeit, diplomatisch ausgedrückt HASSE, sie aber kulinarisch durchaus überzeugen könnten und noch eine leckere Kartoffelsuppe (Bockwurstberndt for the win) und zwei Stück Pflaumenkuchen später, geht es für uns auf die letzten 40 Kilometer Richtung Dresden. Danke Jungs, dass war nochmal großes Kino!

Ab hier sollte es quasi nur noch rollen. Wann das Stück denn endlich kommt, frage ich mich aber lange Zeit selber. Starker Gegenwind kommt auch auf. Also plant die alternative Antje nochmals um und irgendwann kommen wir wirklich in Dresden an. Nach 23 Stunden und 15 Minuten haben wir unsere 430 Kilometer und 6200 Höhenmeter bewältigt und bekommen den letzten Stempel. Im Ziel gibt es endlich Pasta, Käääpppoootscheinooo und, am wichtigsten, endlich ein richtiges Bier, welches aber viel zu schnell leer ist. Danach gibt es noch eine Tombola und Preise unter allen Teilnehmern zu gewinnen. Auch hier nochmals ein großes Danke an den Veranstalter und alle kräftigen Helfer. Ein ganz toller Event, lustige Gespräche und wieder ein schönes Abenteuer liegen hinter uns. 

An die abenteuerliche Antje kann ich nur richten: „In der Kathedrale meines Herzens, brennt für dich immer eine Kerze!“ 

Aber wir haben ja demnächst evtl. noch ein paar Ideen…😉

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