Heho und so, Freunde des lustigen Pedalierens.
Ich sitze gerade hier bei uns im Ruheraum in Crans Montana, im Wallis, hoch über den Schweizer Alpen. Meine beste Freundin Andrea sitzt neben mir und liest ein Buch über Motivation und Wegweiser im Leben (Der Alchimist). Ein guter Ansatz um selbst etwas über meine Motivation und Ansprüche im Fahrradsport zu philosophieren. Warum trainiere ich Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat um mich dann schlussendlich auf unsupported Bike Races, ob nun Eintages- oder Mehrtagesevents über die Alpen, die Pyrenäen und durch mehrere Länder zu quälen?
Als erstes, es macht Spaß. Das ist wohl meine Hauptmotivation. Wenn man 2 Stunden an einem Berg verbracht hat, gibt es nichts Ergreifenderes, als oben am Gipfel angekommen zu sein und in der Abendsonne über die Landschaft zu schauen. Dafür allein lohnt sich die Plagerei schon.
Das nächste ist meine Gesundheit. Ich weiß, dass ich damit meinen Kreislauf immer wieder zu neuen Höchstleistungen bringen kann und ich auf lange Sicht davon profitiere. Natürlich muss man bei sowas auch auf Übertraining achten.
Die dritte Sache ist Selbsterkenntnis. Man glaubt gar nicht wie viel man über sich selber lernt, wenn man 12h am Stück, ob flach oder bergig, allein im Sattel sitzt und über Gott und die Welt nachdenkt. Was sagt das über einen Menschen aus, der Scheuerstellen am Gesäß, Krämpfe in den Beinen, das brennen der Lunge bei hoher Belastung, Kopfschmerzen von Dehydration und Hunger vom wenigen Essen hat und diese Dinge irgendwie Mental übersteht? Es ist die stetige Selbstüberwindung und das Gewinnen gegen den eigenen Körper, die uns Ultracycling(junkies) weitermachen lässt. Immer noch ein kleines Stück höher, weiter oder länger zu fahren.
Eine Anekdote dafür war die „große Scheidegg“, die ich letztes Jahr zum Three Peaks überquert habe. Um 20 Uhr Abends bin ich diese noch angefahren. Den ganzen Tag bin ich schon im Regen unterwegs gewesen und war dementsprechend mental an der Grenze. Aber irgendwann kam dieser kleine Motivationsmensch in mir raus und hat mir ins Ohr geflüstert, dass ich da noch hoch will. Eigentlich war der Plan, dass ich mich mit einer Freundin treffe. Aber durch ein paar Missverständnisse bin ich einfach stur weitergefahren. Mitte des Berges ging auch mein Handy aus und mein Ladekabel war auch gebrochen. Also weiter! Licht hatte ich ja noch am Fahrrad. (DYNAAAMMOOO) Bis auf 1962m bei knapp 3 Grad und Niesel- bzw. Graupelregen bin ich gefahren, nur um dann halb erfroren nach der Abfahrt in Grindelwald im Parkhaus zu sitzen. Da habe ich entschieden, mir um zwei Uhr Nachts noch ein Hotelzimmer zu gönnen.
Man kann die Gefühle dazu einfach nicht richtig beschweren. Mehr als genug Leute haben da nur mit dem Kopf geschüttelt. Für mich war es einfach Stolz, über mich gesiegt zu haben. Auch wenn das rückblickend wohl schon teilweise lebensgefährlich war. Natürlich gab es beim Aufstieg auch noch andere Gedanken und Gefühle: Frust, Lebensfreude, Aufgeben, Weitermachen, vergangene Chancen im Leben, Zukunftspläne usw. Alle Emotionen kann man dabei gar nicht aufzählen.
Letztendlich mache ich das nicht, um anderen etwas zu beweisen. Ich fahre für mich! Für mein persönliches Glück! Es gibt Menschen, die bauen ein Haus und gründen eine Familie. Das ist nicht das was mich gerade antreibt. Ich möchte fahren. Ich möchte die Welt sehen und ich möchte die kleinen Geschichten am Wegesrand erfahren, die man auf der Autobahn oder mit dem Flugzeug wohl so nie erleben wird. Deshalb ist Radeln wohl auch die beste Art zu reisen und meine persönlich beste Motivation dazu…
Das hast du sehr schön geschrieben. Vor allem die Stelle mit den empfundenen Emotionen mag ich sehr. Ich bin gespannt auf weitere Abenteuer von dir und den Geschichten am Wegesrand. LG