Heho und so, Freunde des lustigen Pedalierens.

Mich weckt um circa 5 Uhr ein anderer Radfahrer. Ihr müsst euch vorstellen, dass ich gestern Nacht an der letzten Hauswand meine Matte hingeworfen habe, dann ja noch um 1 Uhr mit einem Feuerwerk beglückt wurde und mich ein kleiner Busch vor den ersten neugierigen Blicken versteckt hat. Bis jetzt! Vor dem Busch steht nämlich noch eine einzelne Bank und genau dort bleibt der andere Fahrer stehen und fängt an in seinem Gepäck zu wühlen, weil er sicherlich seine wärmeren Sachen sucht. Es ist ja mittlerweile nachts etwas frischer, weil wir auch durchgehend auf 1000m Höhe sind.  Da kramt er also so gefühlte 20 Minuten und leuchtet mir irgendwann mit seiner Stirnlampe genau ins Gesicht. Ich strecke ihm einfach die Zunge raus und er erschrickt sich mörderisch. 

“Sorry, I didn’t see you there. Everything alright? „How’s it going?”

“HAHA, of course. All good. I just didn’t sleep well. Someone woke me up.” (Zwinkersmilie)

Steven ist Belgier und fährt danach einfach weiter. 

Ich bin wirklich der Meister der unauffälligen Schlafplatzsuche, denke ich mir. Naja, bei anderen Rennen kotzen sie ja meistens einen Meter neben mich. Letztendlich mache ich mich aber auch langsam auf. Denn weiter schlafen macht ja auch keinen richtigen Sinn mehr. Also alles zusammenpacken, langsam die müden Knochen in Bewegung setzen und in Richtung des hellen Streifens am Horizont rollen.

Es geht erst einmal hoch und runter und durch kleine verträumte Orte, die alle noch im Schlaf versunken sind. Irgendwann aber macht sich doch mein Bauch bemerkbar und ich bin dankbar, dass ich in einer kleinen Ortschaft eine Bar finde, die jetzt schon geöffnet hat. Hier kann ich den ersten Käpppooootscheino trinken und mich auf der Toilette etwas frisch machen und so einige Bedürfnisse befriedigen. Zum Frühstück gibt es hier aber noch nichts. Der Chef gibt mir aber den Tipp, dass am Ortsausgang eine Tankstelle geöffnet hat, die dem Ort auch als Supermarkt dient. Also schnell dorthin und mit allem Wichtigen eindecken und nochmal richtig Frühstück auf dem Bordstein machen. Schinken, Schokodrink, frisches Baguette, Nüsse zum snacken und O-Saft, ein paar Whatsapp- und Instagram-Nachrichten beantworten.

Ab jetzt geht es bis zum Mittag erstmal wieder leicht wellig gegen den Wind weiter. Der frischt jetzt nämlich auch wieder tüchtig auf. An einem lang ansteigenden Stück überhole ich irgendwann wieder Nadine und wir unterhalten uns kurz. Ich glaube sie ist im Tunnel und ich will auch gerade meinen Flow nutzen. Extrem viele Gruppen mit Rennrad kommen mir entgegen und irgendwann überhole ich auch selber ein paar vor mir fahrende Freizeitfahrer. Eine Gruppe überholt mich wiederum irgendwann an einem Anstieg. Windschatten fahren darf ich aber leider nicht. Ehrenkodex beim Rennen eben. Über eine längere Abfahrt komme ich gegen Mittag nach den ersten 100 Kilometern in einer größeren Stadt im Speckgürtel von Madrid an. Im Zentrum halte ich an einem Einkaufszentrum und setze mich spontan in ein McDonalds. Ich habe irgendwie gerade Lust auf einen Milchshake und den ein oder anderen Cheeseburger. 

Eine halbe Stunde und ein paar Telefonate später rolle ich weiter. Ab jetzt geht es die nächsten 100 Kilometer nur bergauf. Ich starte bei ungefähr 600 Höhenmetern und muss auf 1700 hoch. Die ersten 60 km ganz langsam aufwärts und die letzten 40 km durch einen Nationalpark etwas steiler. Wenn nur der Wind nicht wäre, der zusätzlich von vorn kommt.

Das ist heute wieder mal eine mentale Geschichte. Glücklicherweise hilft mir wieder meine Playlist, die die ganze Zeit läuft. Die Landschaft wird jetzt immer grüner, aber auch einsamer. Es geht kaum noch durch belebte Orte. Mal steht eine Kirche einfach so herum, an der es wenigstens Wasser gibt, dann kommen ein paar Häuser, die anscheinend als Urlaubsunterkünfte hier stehen und Wanderer beherbergen und dann wieder ein paar Höhlen und Kletterfelsen.

Auf Instagram fragt mich einer meiner “Faaaaans”, ob es Probleme mit freilaufenden Hunden gibt. Nein, die haben mir bis hierhin keine Probleme gemacht, aber die frei herumlaufenden Stiere und Kühe hier auf der Straße in der Einsamkeit machen mir mehr Sorgen. Schon weil ich ein feuerrotes Radtrikot trage. Gottseidank haben die Rinder auch keinen Bock auf mich Rindvieh. Ich könnte mich hier schon wieder ohrfeigen für den Blödsinn. 

Es wird jetzt sehr still, als die Sonne untergeht und der fast volle Mond oben am Himmel steht. Aber das Panorama über den Bergen und die Stimmung oben auf der Kuppe sind dafür einzigartig. Wieder so ein magischer Moment, für den sich der ganze Tag im Gegenwind am Berg gelohnt hat. Die ganze Existenz und die drängensten Fragen der Menschheit machen hier und jetzt in diesem Augenblick wirklich Sinn. Das sind wohl diese einzigartigen Momente, die man sein ganzes Leben nicht mehr vergisst und auf die man immer zurückschaut, ohne es irgendjemandem richtig erklären zu können, da man das erlebt haben muss. Und ja, ich habe ein paar Tränen in den Augen, so emotional ist der Moment.

Als ich nach unten fahre, höre ich dann zum ersten Mal wieder dieses Geräusch an meinem Hinterrad, wenn ich nicht trete. Das hatte ich kurz schon mal in den letzten beiden Tagen und hatte schon eine schlimme Vermutung. Jetzt wird es lauter und ist auch immer öfter zu hören. Der Freilauf verabschiedet sich wahrscheinlich. Das heißt, wenn der fest geht, bin ich hier im Naturschutzgebiet ohne Handynetz ziemlich aufgeschmissen. Dann habe ich nämlich ein Fixgear Rad mit nur einem einzigen Kettenblatt. Und das ist, milde ausgedrückt, beschissen!

Also Finger kreuzen und wieder aufwärts. Ich bin jetzt wieder von 1400 Höhenmeter auf 1150 nach unten gerollt und muss nun nochmal einen 10 Kilometer langen Anstieg nach oben “rollen”. Das ist ganz angenehm. Die Prozente sind nicht so steil und die Temperatur ist auch angenehm. Der Mond scheint mir den Aufstieg hell und irgendwo röhrt ein Tier. Auch irgendwelche Flugtiere schwirren umher. Eulen, Fledermäuse, Meerkatzen? Keine Ahnung. Ich komme auch an einem kleinen Steinhaus vorbei, welches wohl als Notunterkunft für Wanderer da steht und überlege, mich hier niederzulassen. Denn umso höher ich komme, umso frischer wird es. Auf dem Gipfel sind es dann nur noch 4 Grad. Dort treffe ich dann auch Nadine wieder, die ich den ganzen Tag „gejagt“ habe, da sie mich wahrscheinlich zum Mittag, als ich bei McD war, überholt hatte.

Wieder ein kurzes Gespräch, weil wir beide nicht auskühlen wollen und sie es noch vor 22 Uhr in ihre Unterkunft, unten im Ort schaffen will. Ich brauche etwas länger, um mich kältefest anzuziehen. Alles was geht! Beinlinge, lange Handschuhe und meine Daunenjacke. Dass ich diese überhaupt noch brauche, hätte ich echt nicht mehr gedacht. Aber lieber haben, als brauchen. Der Weg nach unten ist mörderisch kalt und ich zittere am ganzen Körper. Dazu kommt, dass ich die Musik im Ohr etwas lauter machen muss, um nicht mein röhrendes Hinterrad zu hören. Das ist gar nicht gut. Ich muss morgen irgendwo bei einem Bikedealer anhalten, der Profiwerkzeug hat. Eine Kettenpeitsche und einen Zahnkranzabzieher habe ich leider nicht mit im Gepäck. Unten in der Ortschaft Riaza ist kaum noch etwas los. Ein paar Jugendliche machen noch Radau im Park. Also kann ich mich schlecht auf den Spielplatz legen. Außerdem habe ich Angst, dass in den frühen Morgenstunden die Sprinkleranlage angeht. Gut, dann eben auf einer Grünfläche hinter bzw. unter einem Baum neben einer Tankstelle. Dort kann mich niemand sofort sehen und ich habe vielleicht das Glück auf einen warmen Kaffee und eine saubere Toilette nach dem Aufstehen. Also alles aufbauen und den Wecker auf 5 Uhr stellen. Es ist komischerweise jetzt schon wieder 0.30 Uhr und zum Abendbrot gibt es für mich noch zwei Cheeseburger und einen Joghurtdrink. Also Augen zu und morgen weiter bergab zu Checkpoint 6.

Transiberica Part 6 oder Technical problems incoming

Hey there, friends of fun pedaling.

Another cyclist wakes me up at around 5am. You have to imagine that last night I threw down my mat on the last wall of the house, then at 1 a.m. I was greeted with fireworks and a small bush hid me from the first prying eyes. Until now! There’s a single bench in front of the bush and that’s where the other driver stops and starts rummaging through his luggage because he’s probably looking for his warmer clothes. It’s a bit cooler at night now, because we’re at an altitude of 1000m all the time.  So he rummages around for what feels like 20 minutes and at some point shines his head torch right in my face. I just stick my tongue out at him and he is terrified. 

„Sorry, I didn’t see you there. Everything alright? „How’s it going?“

„HAHA, of course. All good. I just didn’t sleep well. Someone woke me up.“ (wink wink)

Steven is Belgian and just drives on afterwards. 

I really am the master of finding an inconspicuous place to sleep, I think to myself. Well, in other races they usually throw up a meter away from me. In the end, however, I slowly get up. After all, there’s no point in sleeping any longer. So I pack everything up, slowly set my tired bones in motion and roll towards the bright strip on the horizon.

At first I go up and down and through small, dreamy towns that are all still asleep. At some point, however, my stomach makes itself felt and I am grateful that I find a bar in a small village that is already open. Here I can drink my first Käpppooootscheino and freshen up in the toilet to satisfy a few needs. But there’s nothing for breakfast here yet. However, the boss gives me a tip that a petrol station is open at the end of the village, which also serves as a supermarket. So I quickly go there and stock up on all the essentials and have another proper breakfast on the kerb. Ham, yoghurt, fresh baguette and fruit juice, answer a few WhatsApp and Instagram messages.

From now until lunchtime, it’s a slightly undulating ride against the wind again. The wind is now picking up again. On a long uphill section, I overtake Nadine again and we have a quick chat. I think she’s in the tunnel and I want to use my flow. A lot of groups on road bikes come towards me and at some point I overtake a few leisure cyclists ahead of me. Another group overtakes me at some point on a climb. Unfortunately, I’m not allowed to ride in the slipstream. It’s the code of honor in racing. After a long descent, I arrive in a larger city in the Madrid suburbs around midday after the first 100 kilometers. I stop at a shopping center in the center and spontaneously sit down in a McDonalds.

I’m in the mood for a milkshake and a cheeseburger or two. 

Half an hour and a few phone calls later, I roll on. From now on, it’s all uphill for the next 100 kilometers. I start at an altitude of around 600 meters and have to climb to 1700 meters. The first 60 km uphill very slowly and the last 40 km through a national park a little steeper. If only it weren’t for the wind, which also comes from the front.

It’s another mental story today. Fortunately, my playlist, which is playing the whole time, helps me again. The landscape is now getting greener and greener, but also lonelier. There are hardly any busy places. Sometimes there’s a church just standing there, where at least there’s water, then there are a few houses that seem to be used as vacation accommodation and house hikers and then a few more caves and climbing rocks.

. One of my „faaaaans“ asks me on Instagram if there are any problems with dogs running loose. No, they haven’t caused me any problems up to this point, but I’m more worried about the free-roaming bulls and cows here on the road in the solitude. If only because I’m wearing a bright red cycling jersey. Thank God the cattle don’t fancy me either. I could slap myself again for this nonsense.

It is now very quiet as the sun sets and the moon is almost full in the sky. But the panorama over the mountains and the atmosphere on the hilltop are unique. Another magical moment that makes the whole day in the headwind on the mountain worthwhile. The whole existence and the most pressing questions of humanity really make sense here and now in this moment. These are probably those unique moments that you never forget for the rest of your life and that you always look back on without being able to explain it properly to anyone, because you have to have experienced it. And yes, I have a few tears in my eyes, that’s how emotional the moment is.

As I ride down, I hear that noise on my rear wheel again for the first time when I’m not pedaling. I’ve had it briefly in the last two days and already had a bad suspicion. Now it’s getting louder and can be heard more and more often. The freewheel is probably going bye-bye. This means that if it gets stuck, I’m pretty much screwed here in the nature reserve without a cell phone network. Then I’ll have a Fixgear bike with just one chainring. And that sucks, to put it mildly! So I cross my fingers and head uphill again. I’ve now rolled back down from 1400 meters to 1150 and now have to „roll“ up another 10-kilometre climb. This is quite pleasant. The gradients are not so steep and the temperature is also pleasant. The moon shines brightly on my ascent and an animal roars somewhere. There are also some flying animals buzzing around. Owls, bats, guenons? I have no idea. I also pass a small stone house, which is probably an emergency shelter for hikers, and consider settling down here. Because the higher I get, the fresher it gets. At the summit it is only 4 degrees. There I meet Nadine again, who I had been „chasing“ all day, as she had probably overtaken me at lunchtime when I was at McD.

Another short conversation because we both don’t want to get cold and she wants to make it to her accommodation down in the village before 10pm. It takes me a little longer to get dressed for the cold. Anything goes! Leg warmers, long gloves and my down jacket. I really didn’t think I’d need them at all. But better to have than to need. The way down is murderously cold and my whole body is shivering. What’s more, I have to turn the music in my ears up a bit to avoid hearing my roaring rear wheel. That’s not good at all. I have to stop somewhere tomorrow at a bike dealer who has professional tools. Unfortunately, I don’t have a chain whip and a sprocket puller with me. Down in the village of Riaza, there’s hardly anything going on. A few youngsters are still making a racket in the park. So I can’t really lie down on the playground. I’m also afraid that the sprinkler system will go off in the early hours of the morning. Fine, then I’ll go to a green area behind or under a tree next to a petrol station. Nobody can see me there straight away and I might be lucky enough to have a warm coffee and a clean toilet when I get up. So I set everything up and set the alarm for 5 o’clock. Funnily enough, it’s already midnight again and I have two cheeseburgers and a yoghurt drink for dinner. So I close my eyes and continue downhill to Checkpoint 6 tomorrow.

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