Heho und so, Freunde des lustigen Pedalierens.

Das rauschen der Aare weckt mich früh auf meiner Bank vor dem Bahnhofsgleis. Irgendein Mitarbeiter holt so langsam den Zug aus dem Depot. Ich putze erstmal Zähne und räume dann meinen ganzen Plunder zusammen. Heute geht es wieder Richtung Italien. Aber erstmal den Grimselpass bezwingen. Das heißt 26 Kilometer bei ca. 6 % nach oben. Immer an der Aare entlang, die irgendwann den Rhein speist, geht es hoch. Der Verkehr ist so früh noch sehr überschaubar. In einem der kleinen süßen Dörfer gibt es einen Laden, in dem ich mir erstmal etwas zum Frühstück gönne. Einen Käääppooo und Trinkjoghurt. Auf letzteres schwöre ich, wenn es schnell gehen muss. Macht satt und hält die Darmflora in Schwung!

Ungefähr auf gleicher Höhe ist Sabine. Sie hab ich gestern Nacht noch getroffen, als sie mir Glück beim Radwechsel gewünscht hat. Hilfe ist ja nicht erlaubt. Es kam auch noch ein Bauer von oben, der mich mit ins Tal nehmen wollte. Aber auch das musste ich ablehnen. Die Regeln sind da sehr klar. Das Ziel ist nur mit eigener Muskelkraft zu erreichen. Hilfe, wie einem Radladen, muss man bezahlen.

Der Bauer hat natürlich wieder mit dem Kopf geschüttelt, als ich da so in der Nacht, völlig im Nirgendwo, nur mit dem Geräusch eines Wasserfalls im Hintergrund, meinen Reifen gewechselt habe und die Hilfe abgelehnt habe. Verrückte halt…(Schulterzucken)

Aber ich schweife wieder ab. Sabine und ich unterhalten uns eine Weile auf Englisch und erzählen uns gegenseitig unsere Storys der letzten Tage. Sie hat ne Kamera dabei und macht schöne Fotos. Es ist jetzt schon schwülwarm. Ein kurzer warmer Regenschauer macht die Luftfeuchte noch schlimmer. Dafür ist der Pass grandios. Als ich langsam aus dem Wald komme, wird die Steigung stärker und die Umgebung besteht nur noch aus Fels und Geröll. In der Entfernung sieht man jetzt schon die Staumauern des Grimselsees und des Reterichsbodensees und ich bin frohen Mutes, dass ich gleich über den Pass bin. Aber falsch gedacht! Danach kommen noch etliche Kehren, die aber zugegebenermaßen noch ein traumhaftes Panorama, mit Blick auf die Stauseen, zeichnen. Hier oben steht auch mitten im See auf einer Felsinsel das Grimselhospiz. Die Anfahrt hierher hat man entweder mit einer Luftseilbahn oder durch lange verschlungene Stollen. Ruhe ist da garantiert. 

Endlich oben angekommen treffe ich einen Schweizer Radler mit unglaublich viel Gepäck. Wenn man uns vergleicht, ist mein Rad ein Leichtgewicht. 30 kg wiegt sein Rad. Gut, er hat auch einen Motor, aber trotzdem muss er hier irgendwie hochgekommen sein. Er erzählt mir, dass auf der anderen Seite eine große Rüstzeit abgehalten wird und er dorthin möchte. Oben gibt es auch eine andere Überraschung. Murmeltiere! Die sehen aus, wie mein Schwager Victor. 

Danach geht es in die Abfahrt um kurz noch einmal anzuhalten und ein Foto davon zu machen. Ab hier kann man direkt weiter zum Furkapass abbiegen, der ein Zwillingsbruder vom Grimsel sein könnte. Irgendwann krieg ich den auch noch klein. Aber jetzt erstmal weiter nach unten, direkt an dem großen Feld vorbei, auf dem die Rüstzeit aufgebaut wird. Ich weiß nicht, wie viele Jugendliche hier erwartet werden, aber das Festivalgelände ist riesig! Bestimmt 3 Kilometer lang. Gleicht eher einem riesigen Konzert. Ich geh aber erstmal in die/den Rotten baden. Der Fluss ist Arschkalt. Gletscherwasser eben. Aber wenigstens wieder erfrischt und sauber und, ganz wichtig, abgekühlt!

In Fiesch macht es in einer Kurve wieder pffffffffff. Platter Reifen hinten. Hmmm, der Schlauch war doch neu? Glück im Unglück. Hundert Meter weiter ist ein Radladen. Unglück im Glück. Heute und morgen nicht geöffnet, weil auf der Eurobike in Frankfurt. Na toll.

Also selber flicken, da ich gerade keinen neuen Schlauch habe. Das erweist sich als schwerer, als ich es kenne. Durch die Hitze und die Verschmutzung der Dichtmilch, will der Flicken nicht richtig auf dem Schlauch halten. 3 Versuche brauche ich. Zum Glück ist um die Ecke eine Werkstatt. Da frag ich nach einem Kompressor um ordentlich Luft in den Reifen zu bekommen. “Luft kostet” bekomme ich mit einem Lachen zur Antwort. Ich bin ja selber Handwerker und kann mit dem Spass umgehen. “Ja, in der Schweiz kostet alles….viel” antworte ich mit einem Lachen. Die Jungs und ich verstehen uns und wir witzeln noch etwas, wo ich herkomme und wo ich hin will. Da ist dann schon Respekt zu spüren, da einige selber Rennrad fahren. Den Schlüssel zum Radladen, hätten sie sogar zur Not. Aber ich fahre erstmal weiter. Die 10 Kilometer runter nach Brigg schaffe ich schon, um dort im Radladen einen neuen Schlauch zu kaufen. 

Gesagt, getan. Dort unten kommt natürlich wieder die Frage, ob ich auch nach Nizza will? Klaro, will ich das. Aber erstmal brauche ich einen neuen Ersatzschlauch! Lieber haben, als hätte. Eine neue Warnweste wäre auch toll, da sich mein Reflektionsgurt langsam aber sicher auflöst und ich ihn an allen Ecken und Enden nur mit Tape zusammen halte. Tape und Kabelbinder sind des Bikepackers bester Freund!!!

Endlich bin ich im tiefsten Wallis. Die Freude, nach dem Winter, wieder zurück zu sein, währt aber nicht lange. Gegenwind und Hitze. Wie ein Fön ins Gesicht! Die Straße hier ist auch eine Hauptverkehrsstraße mit viel Verkehr. An jeder Einfahrt gibt es Schilder für Verkaufsstände, der berühmten Walliser Aprikosen. Ich muss hier mal direkt “Plinsendave” ansprechen der mir im Winter immer erzählen wollte, dass hier in den Weinbergen, Mandarinen angebaut werden. Ja, ist doch klar. Wer kennt sie nicht! Die berühmten Mandarinenhaine in der Schweiz, die auf Bildern in Museen verewigt sind, auf denen Kinder und Frauen in weißen Gewändern Früchte pflücken. Plinsendaves Antwort darauf: Mandarinen, Orangen oder Aprikosen, irgendwas orangenes halt. Eh alles das gleiche! 

Da gibt es auch den Fendant. Das ist die hier heimische Weinrebe und der Name des gleichklingenden Weines, der hier im Wallis kultiviert wird. Das ist ein trockener und weicher Weißwein, der perfekt zum Käsefondue oder Raclette passt. (Gegenkoppklatsch). Sorry, da war wieder der Erklärroboter aus dem Hotel im Winter, der jeden Abend den Gästen eine Weinvorstellung gegeben hat

Das Wallis ist schön, aber heute zieht es sich ewig. Die Hitze ist langsam unerträglich. Wenigstens flaut der Wind dann auf dem Radweg etwas ab. Irgendwann steh ich vor bekannter Auffahrt nach Crans Montana, wo ich den Winter, als oben genannter Erklärroboter, hinter der Bar im Hotel verbracht habe. Ich könnte hier abbiegen und die 1000 hm nach oben pedalieren, habe aber gar keine Zeit dafür. Deshalb geht es flach weiter bis Martigny. Langsam wird mein Wasser knapp und Hunger bekomme ich auch. Da muss ich aufpassen, dass jetzt nicht der Akku im Körper ausgeht. An einem kleinen Automaten mit Getränken merke ich zudem, dass anscheinend meine Kreditkarte einen Hund hat und die kontaktlose Funktion nicht mehr richtig funktioniert. Apple Pay funktioniert aber glücklicherweise noch. Da muss ich mir später Gedanken machen. Ich bin jetzt schon relativ durch, doch da erscheint mir wieder der Messiahs (hier bitte Engelgesänge vorstellen). Das goldene M liegt genau auf meinem Weg und ich hole mir 4 Cheeseburger und ne Cola. Schnell auf dem Rad rein damit und 2 Burger für später. Jetzt beginnt der Aufstieg zum nächsten Monument des Radsports. Der Col du Grand St. Bernhard auf 2473 m mit 44 Kilometern. Die Auffahrt zählt zu den höhenmeterreichsten Aufstiegen der Alpen. Ich trickse daher mal etwas. Die ersten 20 km sind “relativ” flach, aber als Transitstrecke relativ stark befahren. Jetzt, zum Abend im Sonnenuntergang, aber  doch ziemlich ruhig. Ich fahre also heute noch die Hälfte bis es Dunkel ist und buche mir in der Mitte eine, für die Schweiz, doch sehr günstige Unterkunft. Nix großes. Ein Zimmer mit Waschbecken, einem Bett und einem Gemeinschaftsbad im Flur. Reicht für mich völlig. Brauche nur Strom, Bett und Dusche. Kurz vorher treffe ich Sabine wieder und wir reden nochmal etwas. Sie hat ihre Taktik geändert und will wegen der Hitze jetzt eher Nachts fahren, also den St. Bernhard heute noch überqueren und noch etwas weiterfahren und dann über den Tag schlafen. Ich überlege auch kurz, ob ich das für mich so einplanen sollte, verwerfe es aber erstmal wieder. Später vielleicht. Ich bin in der Nacht kein guter Abfahrer. Zudem das Reifenproblem dem ich, Achtung Wortspiel, immer noch nicht über den Weg traue. (HAHAHA, MilchausderNasespritz!)

Nach ein paar kurzen Telefonaten in der Unterkunft, in der schon einige Fahrer vor mir übernachtet haben, wie mir der Wirt erzählt, fallen mir relativ schnell die Augen zu. Morgen wird wieder Checkpointtag. Und der ist aus Erfahrung immer relativ schwer.

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